Berlin schafft auch das – Leitartikel von Gilbert Schomaker

BERLINER MORGENPOST

Berlin (ots)

Die Gewerkschaften zeigen ihre Muskeln: Am Montag soll Deutschland stillstehen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG rufen Hunderttausende Mitglieder zum Streik auf. Im öffentlichen Nahverkehr und im Fernverkehr der Bahn sowie auf den Flughäfen soll nichts mehr möglich sein. Selbst Autotunnel könnten geschlossen werden. Einen solch großen Warnstreik hat Deutschland schon lange nicht mehr erlebt.Das Neue an der Situation: Die Gewerkschaften agieren zusammen. Obwohl man in unterschiedlichen Bereichen die Beschäftigten vertritt – einerseits in der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes, andererseits in den Tarifgesprächen mit der Deutschen Bahn und weiteren Eisenbahnunternehmen – stehen in diesem Warnstreik die beiden Gewerkschaften Seite an Seite, um ihre Forderungen nach mehr Lohn durchzusetzen. Die hohe Inflation von acht bis zehn Prozent hat dafür gesorgt, dass die Bereitschaft der Beschäftigten zum Arbeitskampf groß ist. Wenn die Menschen deutlich mehr für Lebensmittel und Energie zahlen müssen, wollen sie auch mehr verdienen. Das ist verständlich.Man muss sich aber auch nichts vormachen: Ein solch großer Warnstreik ist auch immer Werbung für die Gewerkschaften, die um neue Mitglieder kämpfen. Deswegen war auch klar, dass die Aufrufe der Arbeitgeber verhallten, kurzfristig an den Verhandlungstisch zurückzukommen.In Berlin und Brandenburg wird der Warnstreik für erhebliche Probleme sorgen. Vor allem die 400.000 Berufspendler wird es hart treffen. Denn ein großer Teil der Menschen, die in Brandenburg leben und in Berlin arbeiten – oder umgekehrt – nutzen die Regionalbahnen und die S-Bahnen, um in die Innenstadt zu kommen. Dass das Auto an einem solchen Tag keine wirkliche Alternative ist, wird man an den Staus auf den großen Einfallstraßen sehen. Für diejenigen, die auf eine Baustelle müssen, die in Schulen unterrichten oder in einer Werkstatt arbeiten, wird der Montag eine Geduldsprobe werden. Wer also fahren muss, sollte mehr Zeit einplanen.Aber Berlin hat einen großen Vorteil: Da die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die S-Bahn unterschiedliche Unternehmen sind, fahren Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen weiterhin. Ja, es wird Probleme geben, wenn die S-Bahn bestreikt wird. Aber es gibt, gerade in der Innenstadt, neben der BVG auch eine Vielzahl von Alternativen: Uber, Taxen, Elektroroller und das Fahrrad. Wenn man so will, ist es gut, dass die S-Bahn nicht auch dem Land Berlin gehört. Umgekehrt gilt das übrigens auch: Arbeitskampf bei der BVG heißt eben auch, zumindest die S-Bahn fährt noch. Für die Berlinerinnen und Berliner ist das ein Luxus, den andere Städte oder Regionen so nicht bieten.Und noch etwas wird dem ganztägigen Warnstreik seine Wucht nehmen: Seit der Pandemie haben die Unternehmen in vielen Arbeitsfeldern auf Homeoffice umgestellt. Corona hat dafür gesorgt, dass es in vielen Firmen die Möglichkeit gibt, von zu Hause aus zu arbeiten. Das wird auch an diesem Montag in vielen Fällen geschehen. Deutschland ist im Arbeitsalltag deutlich flexibler geworden.Alles in allem wird der Warnstreik auch die Hauptstadtregion spürbar treffen. Aber die Berlinerinnen und Berliner werden diesen Tag meistern – mit großer Gelassenheit.Das ist übrigens auch eine große Stärke dieser Stadt.

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