Berliner Morgenpost: Berliner Grüne im Spagat – Leitartikel von Joachim Fahrun

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Berlin (ots)

So richtig überwunden haben die Grünen ihre Traumata noch nicht. In der Wiederholungswahl verpassten sie, ihr Potenzial abzurufen und eben doch stärkste Kraft zu werden oder wenigstens die SPD zu überholen. Das schmerzt, obwohl viele beteuern, was für ein gutes Ergebnis die 18 Prozent doch seien. Dass es nicht gelungen ist, eine der beiden Regierungsoptionen auch ergreifen zu können, tut dann noch doppelt weh.

Man habe so viel gearbeitet und so viele Projekte in der Pipeline gehabt, die in den Grünen-Ressorts nun von Schwarz-Rot abgewickelt oder auf den Prüfstand gestellt würden, klagten die ausgemusterten Regierungsmitglieder nun auf dem ersten Landesparteitag nach der Wahl.

Die „Rückschrittskoalition“ aus CDU und SPD war Ziel zahlreicher Angriffe und Selbstvergewisserungen, es eben besser zu wissen und machen zu wollen als die Parteien, die beide bei den nächsten Berliner Wahlen 2026 als Bündnispartner infrage kommen. Denn dass sie schnell wieder in die Exekutive kommen wollen, daran lassen die Berliner Grünen keinen Zweifel.

Spitzenfrau Bettina Jarasch hat sich nach dem rüden Umgang in den Sondierungsgesprächen nun auch öffentlich dazu bekannt, dass die SPD nicht die natürliche Koalitionsoption für die Öko-Partei ist. Viele in der Parteilinken sehen das jedoch anders. Ein Bündnis mit Kai Wegners CDU erscheint ihnen als ein Verrat an der widerständigen grünen Seele.Warum die Grünen in den Außenbezirken nicht wirklich ein Bein auf den Boden bekommen, während sie in den von ihnen regierten Innenstadtbezirken ihre Position halten oder sogar ausbauen konnten, dürfte in der Partei noch lange für Diskussionen sorgen. Die Lebenswelten in Hakenfelde und Friedrichshain unterscheiden sich stark und es ist den Grünen nicht gelungen, ein Angebot für Bewohner der Außenstadt zu formulieren, die mit Sorge auf die Heizungspläne der Ampel-Bundesregierung blicken und auf ihr Auto angewiesen sind. In solchen Milieus sind die Grünen inzwischen von einer Option zu politischen Hassfiguren geworden.

In diesem Spagat müssen die Grünen eine stabile Haltung entwickeln. Auf der einen Seite zerren an ihnen die vielen jungen Menschen, die echte Angst vor dem Klimawandel verspüren und in ihrer Verzweiflung auch zu radikalen Protestformen greifen. Am anderen Bein hängen jene Bürger, die Angst vor der Veränderung haben, die die Erderhitzung, der Kampf dagegen und die Vorbereitung darauf objektiv bedeuten. Ob der Konflikt mit „mehr reden“, „besser kommunizieren“ zu befrieden ist, darf man bezweifeln.

Am Ende müssen die Grünen ihre eigenen Ansprüche erfüllen. Nämlich pragmatische, an konkreten Lösungen orientierte Konzepte entwickeln, wie Klimaschutz und Verkehrswende mit sozialen Belangen in Eintracht zu bringen sind. Zu Recht kritisiert die neue Opposition, dass die Schwarz-Roten noch keinen Plan haben, wie sie die gepumpten Milliarden aus dem angekündigten Sondervermögen für Klimaschutz einsetzen möchten.

Wer aber einen Leitantrag zum Klimaschutz in Berlin formuliert, in dem zwar viele Bekenntnisse stehen, aber kaum ein Wort dazu, wie Berlin seine Fernwärme klimaneutral und auch die Heizungen der anderen Bestandsbauten grün machen sollte, bleibt weit hinter den eigenen Ambitionen zurück. Wenn sie 2026 wirklich unverzichtbar werden wollen für die nächste Berliner Stadtregierung, müssen die Grünen ihre internen Konflikte lösen und hart an ihren Inhalten arbeiten.

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