Der Erfolg / Kommentar von Friedrich Roeingh zum G20-Gipfel

Allgemeine Zeitung Mainz

Mainz (ots)

Man kann darüber streiten, ob die Rückeroberung der Stadt Cherson durch die ukrainische Armee mit dem D-Day im Zweiten Weltkrieg vergleichbar ist, wie Präsident Wolodymyr Selenskyj triumphiert. Dafür müssten die ukrainischen Truppen wohl erst den Dnjepr überschreiten. Das ändert freilich nichts an dem riesigen militärischen Erfolg. Diesem Erfolg scheint sich eine nicht weniger bedeutende Niederlage Russlands beim G20-Treffen anzuschließen. Tatsächlich waren auch die Rückeroberungen der ukrainischen Streitkräfte eine Voraussetzung dafür, dass Russland international immer isolierter dasteht, dass auch China und vermeintlich neutrale Länder wie Indien und der G20-Gastgeber Indonesien vom Aggressor abrücken. Der größte Erfolg: Russland konnte nicht verhindern, dass es bei dem G20-Treffen zur Abschlusserklärung gekommen ist. Der zweite Erfolg: Die G20 ächten jedes Gedankenspiel zum Einsatz von Atomwaffen. Und der dritte Erfolg: Die G20 benennen den Krieg in der Ukraine auch als Krieg – so bitter es ist, dass die Vokabeln Angriff und völkerrechtswidrig fehlen. Solche Kommuniqués sind aber bekanntlich keine Geschichtsschreibung. Es geht vielmehr darum, was sie im Subtext transportieren. Selbst Indien, das so stark von russischen Gaslieferungen profitiert, selbst Indonesien, das auf russische Waffenlieferungen angewiesen ist, selbst China, das den Westen an allen möglichen Fronten zu schwächen sucht, selbst diese drei drängen inzwischen auf ein Ende des Krieges in der Ukraine. Sie drängen darauf, weil auch sie unter der Eintrübung der Weltwirtschaft leiden. Sie drängen darauf, weil die von Russland ausgelöste Welternährungskrise auch ihre eigene Versorgungslage betrifft. Und die drei wissen zudem: Diese Krise bringt nicht nur Hunger und Elend in die Welt, sie kann auch Volksaufstände auslösen. Dieser Sicht auf Putins Krieg können sich inzwischen nicht einmal seine vermeintlichen Freunde verschließen. Wessen Verdienst das ist? Natürlich war das stundenlange Ringen zwischen US-Präsident Biden und Chinas Alleinherrscher Xi im Vorfeld des Gipfels eine zentrale Voraussetzung für seinen Erfolg. Aber auch Olaf Scholz, der für seine Chinareise so sehr gescholten wurde, darf sich bestätigt fühlen. Und was folgt aus dem vernehmbaren Ruf nach Frieden? Leider kein schneller Waffenstillstand. Weil es noch immer und jetzt erst recht keinen vom Aggressor diktierten Frieden geben darf. So schwer es fallen mag, angesichts immer neuer Kriegsopfer diese Linie aufrechtzuerhalten: Frieden wird das Russland Putins erst geben, wenn es selbst erkennt, dass es geschlagen ist.

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