Die Geister, die er rief, Kommentar zur IG Metall von Anna Steiner

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Frankfurt (ots)

Das Gespenst der Lohn-Preis-Spirale geistert schon seit Wochen durch die deutsche Wirtschaft. Die IG Metall will es nun wissen. 8 Prozent mehr Lohn sollen die rund 3,9 Millionen Be­schäftigten der Branche bekommen. Angesichts einer Inflationsrate von EU-harmonisiert 8,2 Prozent im Juni ist diese Forderung alles andere als unverschämt. Gestiegene Le­bens­mittelpreise und Energiekosten belasten schließlich nicht nur die Industrie, sondern gerade auch die Privathaushalte. Die hohen Preise an der Zapfsäule und im Supermarkt machen sich längst im Geldbeutel bemerkbar. Die gefühlte Inflation liegt aktuellen Studien zufolge bei knapp unter 20 Prozent.

Die Begründung „Betriebe können steigende Kosten weiterreichen, Beschäftigte nicht“, mit der Jörg Hofmann, Vorsitzender der Industriegewerkschaft, die Forderung nach einem satten Lohnplus zu untermauern versuchte, liest sich denn auch nachvollziehbar. Allerdings nur auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen beschwört der Gewerkschaftschef selbst das beste Argument gegen die von den Arbeitgebern sogleich „realitätsfern“ geschimpfte Lohnforderung.

Denn die Betriebe können ihre Mehrkosten in der Tat weitergeben – und das werden sie auch tun. Erst recht, wenn sie zusätzlich zu gestiegenen Energie- und Logistikkosten auch noch mehr für ihre Mitarbeiter berappen müssen. Dafür bezahlen wird dann der Verbraucher – und damit auch wieder der Arbeitnehmer, dem vom höheren Gehalt dann am Monatsende erneut weniger bleibt. Eine klassische Lohn-Preis-Spirale nähme Fahrt auf. Die Sorge davor ist längst auch in der Politik angekommen: Nicht zuletzt deshalb versucht Bundeskanzler Olaf Scholz derzeit, mithilfe einer „konzertierten Aktion“ die gestiegenen Preise, Lohnforderungen der Gewerkschaften und Bedürfnisse der Wirtschaft an einen Tisch und unter einen Hut zu bekommen. Dass Entlastung hermuss, ist keine Frage. Die Tarifpolitik allein kann das aber nicht leisten.

Der IG Metall täte – nach zugegebenermaßen eher mageren Coronajahren – eine Portion Geduld gut. Wie das geht, hat die Chemiebranche vorgemacht. Hier einigten sich die Sozialpartner als Brückenlösung auf eine üppige Einmalzahlung – explizit aufgrund der Unsicherheit durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die stark steigenden Preise. Erst im Herbst wird weiterverhandelt. In Zeiten steigender Preise für die Arbeitnehmer mehr Geld zu fordern ist mehr als legitim. Bleibt zu hoffen, dass die Geister, die Hofmann rief, ihn nicht einholen.

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