Gefährlicher Stress / Kommentar zur Lage an den Finanzmärkten von Alex Wehnert.

Börsen-Zeitung

Frankfurt (ots)

Der überwiegend positive Start der Finanzmärkte ins Schlussquartal 2022 bietet noch keinen Anlass zur Erleichterung. Gerade die anhaltenden Spannungen im US-Markt, der für Europas Handelsplätze auch weiterhin die Richtung vorgeben dürfte, sollten Investoren dabei Sorgen bereiten. Laut einem vom Office of Financial Research, einem Büro des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten, entwickelten Index ist der finanzielle Stress gar so hoch wie seit den Corona-Marktverwerfungen aus dem Frühjahr 2020 nicht mehr. Auch Subbarometer für die Credit- und Aktienmärkte zeigen deutliche Ausschläge nach oben, während insbesondere die Volatilität besorgniserregende Niveaus er­reicht.

Sichere Häfen erodieren

Die Schwankungen erstrecken sich mittlerweile auf Assetklassen, die gemeinhin als sichere Anlagehäfen gelten – darunter auch US-Staatsanleihen. Die Rendite des zehnjährigen Titels kletterte bereits Ende September erstmals seit einem Jahrzehnt über die Marke von 4% und liegt weiterhin in Schlagdistanz zu diesem Wert. Der ICE BofA Move Index, der die Volatilität des Treasury-Marktes nachbildet, erreichte zuletzt wie der Financial Stress Index den höchsten Wert seit dem Corona-Crash. Das Resultat ist ein Teufelskreis: Investoren nehmen vor der Volatilität Reißaus, und eine geringere Präsenz liquider Marktteilnehmer bedingt weitere heftige Schwankungen. In der Folge drohen US-Staatsanleihen als Rückzugsbastion für Anleger zu erodieren. Die angespannten Handelsbedingungen bei Treasuries greifen damit auch auf andere Assets über.

Zugleich bedeuten höhere Zinsen schwierigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, während das eingetrübte konjunkturelle Umfeld, die restriktive Geldpolitik der Federal Reserve und die resultierende Aufwertung des Dollar auf der Risikobereitschaft der Investoren lasten.

Deutlich wird dies auch im Unternehmensanleihemarkt, trotz der bereits hohen Staatsanleiherenditen haben sich die Spreads zwischen Junk Bonds und Treasuries auf Monatssicht deutlich ausgeweitet. Die Effekte der monetären Straffung und die mangelnde Bereitschaft der Investoren, ihre Scheckbücher zu öffnen, lassen sich hinreichend an der jüngsten Saga um den Leveraged Buy-out (LBO) des Softwareherstellers Citrix ablesen. So stießen die beteiligten Banken unter Führung von Bank of America und Credit Suisse im vergangenen Monat auf gewaltige Schwierigkeiten, die zur Finanzierung des Deals aufgenommenen Schulden am Markt abzuladen. Schnell kamen Zweifel daran auf, dass an der Wall Street im aktuellen Marktumfeld überhaupt noch bedeutende Deals zu realisieren sind.

Knappe Liquidität

In dieser angespannten Lage ist die Erosion sicherer Anlagehäfen wie Treasuries besonders folgenreich. Denn die Zeit adverser Schocks dürfte noch lange nicht vorbei sein, neue geopolitische Verwerfungen oder eine weitere Eskalation der bestehenden Konflikte bergen angesichts der knappen Liquidität nicht zu vernachlässigende Gefahren für die Finanzmarktstabilität. Dies erkennen auch Vertreter der Federal Reserve. Die stellvertretende Vorsitzende der Notenbank, Lael Brainard, gelobte Ende September, die Währungshüter beobachteten finanzielle Verwundbarkeiten genau.

Die Frage, vor der Anleger stehen, ist und bleibt aber, wann die Fed handelt. Erste taubenhafte Stimmen aus dem Offenmarktausschuss deuten einen geldpolitischen Umschwung im ersten Quartal 2023 an, wie auch Starinvestorin Cathie Wood im Interview der Börsen-Zeitung betont. Überhaupt hätten sich trotz der hohen Verbraucherpreise im Hintergrund bereits bedeutende deflationäre Gefahren aufgebaut. Bleibt zu hoffen, dass die Fed diese ebenso energisch bekämpft wie die Inflationsbeschleunigung.

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