Keine Entwarnung / Kommentar zur leicht abgeschwächten Inflation von Mark Schrörs.

Börsen-Zeitung

Frankfurt (ots)

Knapp zwei Jahre lang kannte die Inflation in Deutschland wie im Euroraum insgesamt ei­gentlich nur eine Richtung – steil nach oben -, wobei sie zudem immer wieder die Erwartungen im negativen Sinne über­traf. Im November nun ging die Teuerungsrate in Deutschland zumindest mal leicht zurück – teils sogar entgegen den Erwartungen der Expertenschar. Ist damit der „Teuer-Schock“ ad acta gelegt und wird jetzt alles wieder gut? Mitnichten! Für Entwarnung ist es viel zu früh. Und mithin wäre es auch verfehlt und sogar fahrlässig, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) nun im Kampf gegen die viel zu hohe Inflation bereits nachlassen würde.

Natürlich ist der Rückgang der Inflationsrate in Deutschland von 11,6% auf 11,3% in EU-harmonisierter Rechnung (HVPI) und von 10,4% auf 10,0% in nationaler Rechnung ein Lichtblick. Genauso ist es positiv, wenn sich etwa, wie im Oktober geschehen, der rasante Anstieg bei den deutschen Erzeugerpreisen überraschend deutlich abschwächt. Und natürlich winken mit der einmaligen Übernahme der Gasabschlagszahlungen im Dezember sowie der Strom- und Gaspreisbremse ab Januar Entlastungen, die die Energiekosten weiter drosseln sollten. Das und einiges andere macht Hoffnung, dass so allmählich das Schlimmste überstanden ist. Aber es ist noch nicht die Zeit, den Sieg über die Inflation zu verkünden.

Erstens: Die Inflation ist im­mer noch viel zu hoch und es ist keineswegs ausgemachte Sache, dass der Höhepunkt bereits er­reicht ist. Im Dezember könnte es noch mal nach oben gehen, und viele Versorger haben für 2023 schon höhere Preise angekündigt. Zweitens: Selbst wenn der Peak erreicht ist, wird sich der Rückgang wohl äußerst zäh ge­stalten. Nach wie vor ist viel Preisdruck in der Pipeline Die Bundesbank etwa prognostiziert für 2023 im Schnitt eine Sieben vor dem Komma. Das Inflationsziel von 2% jedenfalls bleibt vorerst in weiter Ferne, und es be­steht zumindest die Gefahr, dass sich die Inflation perspektivisch bei 3%, 4% oder mehr festsetzt – und das erst recht, wenn die Menschen vollends das Vertrauen in die EZB verlieren, die 2% anzustreben und zu erreichen.

Die Euro-Notenbanker müssen deshalb jetzt Kurs halten und ihre Geldpolitik weiter straffen. Bei der nächsten Zinssitzung Mitte De­zember muss es vielleicht nicht wieder eine XL-Zinserhöhung von 75 Ba­­sispunkten sein wie zuletzt zweimal in Folge. 50 Basispunkte sind auch ein starkes Signal – wenn der EZB-Rat parallel den Startschuss für den überfälligen Abbau der aufgeblähten EZB-Bilanz gibt und so einen zusätzlichen Impuls in Richtung Normalisierung setzt. In jedem Fall aber dürfen die Euro-Hüter in der aktuellen Ge­mengelage keine Entscheidung treffen, die Zweifel an der artikulierten Entschlossenheit, die 2% zu erreichen, verstärkt. Das wäre kurz- wie langfristig fatal.

Die Euro-Hüter dürfen sich dabei auch nicht von den Finanzmärkten in eine Kehrtwende („pivot“) hineinreden lassen. Viele Marktteilnehmer gieren regelrecht nach einer solchen Wende und überinterpretieren dabei bisweilen die Inflationsindikatoren und Aussagen von Seiten der Notenbank. Das Paradoxe daran: De facto machen sie damit die Wende unwahrscheinlicher – weil die damit einhergehende Lockerung der Finanzierungsbedingungen dem widerspricht, was die Geldpolitik will.

(Börsen-Zeitung, 30.11.2022)

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