Wertheim/Main-Tauber-Kreis: Unverhältnismäßige Einmischung! Staat darf nicht jede Einzelheit regeln wollen

Main-Tauber-Kreis

Die verantwortlichen Behördenleiter im Main-Tauber-Kreis sind vorwiegend aus zwei Gründen in großer Sorge.

Zum einen weisen sie darauf hin, dass Städte, Gemeinden und Landkreise sich seit etwa zehn Jahren in einer Art Dauerkrisenmodus befinden. „Dabei überlagern sich stets mehrere Krisen zur gleichen Zeit und zunehmend in einem seit vielen Jahrzehnten unvorstellbaren Ausmaß. Hierzu gehören die noch nicht überstandene Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Flucht von Millionen von Menschen, Inflation in einer seit langer Zeit ungekannten Höhe, die angespannte Lage bei der Energieversorgung, das in dramatischer Geschwindigkeit voranschreitende Artensterben sowie der sich weiter beschleunigende Klimawandel“, fasst Landrat Schauder zusammen. Die vielfältigen Krisen müssten fast immer von den Mitarbeitenden in Rathäusern und Landratsämtern bewältigt werden, und die Kommunen und Kreise fungierten hierbei oftmals als Nothelfer für Stuttgart und Berlin, was nicht zuletzt bei den Impfkampagnen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie deutlich wurde.

 

Zum anderen sind die Verwaltungschefinnen und -chefs besorgt darüber, dass die Gesetze von Europäischer Union, Bund und Land den für die Umsetzung tatsächlich notwendigen Personaleinsatz und die erforderlichen Finanzmittel nicht in ausreichendem Maß berücksichtigen. Hinzu komme, dass die übergeordneten politischen Ebenen die vorgesehenen Standards regelmäßig weiterentwickeln und anheben. Auch im Zuge der darauffolgenden Rechtsprechung nehme die Komplexität der Standards zu.

 

„Aufgrund dieser Kombination aus fortwährenden Krisen und komplexer werden Anforderungen ist die Arbeitsbelastung in allen Verwaltungen sehr hoch, viele unserer Beschäftigten sehen das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr. Obwohl die Mitarbeitenden tagtäglich Großartiges leisten, ist das Ende der Fahnenstange erreicht – die durch die Gesetzgeber gesetzten Standards sind in der Praxis nicht mehr erfüllbar. Diese Entwicklung stimmt mich äußerst nachdenklich“, erklärt Landrat Schauder. Das Verhältnis von Bürger und Staat müsse daher neu gedacht werden, die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger wieder stärker in den Fokus rücken. „Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass jede Einzelheit vom Staat geregelt werden kann – selbst wenn es die finanziellen Mittel dafür gäbe, finden wir gar nicht das Personal dazu. Wir erleben es Woche für Woche, dass auch attraktive Positionen in unseren Verwaltungen gar nicht mehr oder nur unter Kompromissen besetzt werden können und Stellenausschreibungen ein ums andere Mal wiederholt werden müssen – der Fachkräftemangel hat uns längst erreicht.“

 

Bürgermeister Frank Menikheim (Igersheim) als Vorsitzender der Bürgermeisterversammlung im Main-Tauber-Kreis stellt im Namen seiner Amtskolleginnen und -kollegen fest, dass Europäische Union, Bund und Länder in den vergangenen Jahrzehnten immer neue Rechtsansprüche und Leistungen zugesagt haben. Diese zu erfüllen und umzusetzen, sei mit einem überbordenden Maß an Bürokratie und ungeheuer komplexen Entscheidungsprozessen verbunden. Die Grenze der Leistungsfähigkeit des Staates sei durch eine von der Politik selbst geschaffene Überregulierung erreicht. Dies zeige sich besonders dort, wo Gesetze in die Tat umgesetzt werden müssen, also in den Verwaltungen der unteren Ebenen im Staatsaufbau, insbesondere in den Rathäusern und Landratsämtern. Dies gelte beispielsweise bei langwierigen Genehmigungsverfahren und bei der Gewährung sozialer Transferleistungen.

 

„Die Gesamtheit der staatlichen Leistungsversprechen ist nicht mehr erfüllbar. Daher ist es erforderlich, dass sich die öffentliche Hand wieder viel stärker auf die originären Aufgaben des Staates konzentriert. Prioritär ist, die innere und äußere Sicherheit zu gewähren, den Rechtsstaat zu garantieren, den Katastrophenschutz zu verbessern, die Energieversorgung sicherzustellen, den Arten- und Klimaschutz voranzutreiben wie auch auf eine tiefgreifende Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft hinzuwirken“, sagt Bürgermeister Menikheim. Insbesondere zu nennen seien auch Themen der klassischen Daseinsvorsorge wie die Wasserver- und Abwasserentsorgung, der Betrieb von Schulen und Kindergärten, die Dienste der Feuerwehr, ein intaktes und gepflegtes Straßennetz, der Betrieb von Sport- und Kulturstätten und vieles andere mehr. Wie der Bürgermeister betont, erledigen die Städte, Gemeinden und Landkreise diese Pflichtaufgaben in hervorragender Weise, auch im internationalen Vergleich, und schaffen damit die Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben. Die gute Erfüllung dieser Aufgaben sei auch dringend notwendig, um auf Dauer den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten.

 

Leider gerät laut dem Bürgermeister bei übergeordneten politischen Ebenen zunehmend in Vergessenheit, dass die dauerhafte Sicherstellung dieser Leistungen einen großen Teil der finanziellen und personellen Ressourcen der Kreise und Kommunen bindet. Zwar könnten neue Standards bei isolierter Betrachtung in aller Regel gut begründet werden, und auch die verfolgten Ziele seien meist nachvollziehbar. Allerdings führten die Standardanhebungen bei allen möglichen Themen in der Summe dazu, dass die Aufgaben und der Personalbedarf in einer Art und Weise steigen, dass die Regelungen nicht mehr umsetzbar sind und keine Freiräume mehr für eine aktive Zukunftsgestaltung bleiben. Dies gelte beispielsweise beim Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und künftig auf Ganztagsbetreuung an der Grundschule. Jedoch stünden allein aufgrund der großen Krisen neue und zusätzliche Aufgaben an, die unbedingt erledigt werden müssten.

 

Deshalb müsse der Blick wieder stärker auf das Erforderliche gerichtet werden. „Bevor neue Standards, Rechtsansprüche und gesetzliche Leistungen eingeführt werden, müssen bestehende Regelungen überprüft und angepasst werden. Bei jeder staatlichen Leistung, Zusage oder gesetzlichen Vorgabe, die auf örtlicher Ebene umgesetzt werden soll, muss vorab geprüft werden, ob sie umgesetzt und finanziert werden kann. Insgesamt sollten weniger Versprechungen gemacht, die gemachten Versprechungen aber dafür verlässlich und qualitätvoll eingehalten werden“, sagt Menikheim. „Der Staat kann auch nur das Geld verteilen, das er vorher eingenommen hat. Im Sinne einer generationengerechten Politik und bei Betrachtung der aktuellen Lage ist es dringend geboten, sich am Machbaren zu orientieren. Um dies zu gewährleisten, müssten Städte, Gemeinden und Landkreise besser in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden.

 

Mit ihren Forderungen sehen sich Landrat Schauder und die Oberbürgermeister, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in bester Gesellschaft, denn beispielsweise die drei kommunalen Landesverbände, Unternehmerverbände und Sparkassen in Baden-Württemberg haben sich mit ähnlichen Appellen an die Politik gewandt.

Quelle: Main-Tauber-Kreis.de

 

 

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